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Fraunhofer- und Universitäts-Spin-Off: Bratwurst aus dem Bioreaktor

Das Thema Zellen beschäftigt ihn schon seit mehr als 20 Jahren – erst als Mitarbeiter an der Universität. Ab 2004 dann verstärkt als Leiter der Fraunhofer-IBMT-Arbeitsgruppe „Zelldifferenzierung und Zelltechnologie“. „Wir haben bereits 2004 das erste Patent im Bereich Zellfleisch angemeldet“, erinnert Prof. Dr. Charli Kruse. „Zu dem Zeitpunkt hat das aber noch nicht so viele interessiert – ich würde fast sagen, wir waren unserer Zeit damals etwas voraus“, so der Wissenschaftler.

In den folgenden Jahren – ab 2012 dann auch als Leiter der Lübecker Fraunhofer-Einrichtung – hat Kruse seine Expertise und Wissen in diesem Themenfeld immer weiter ausgebaut. Zeitgleich ist die Relevanz von Forschung und Entwicklung in diesem Bereich immer größer geworden. „Was 2004 noch ein echtes Nischenthema war, hat sich vor allem mit Blick auf Klima und Weltbevölkerung zu einem weltweiten Trendthema entwickelt“, so Kruse über Fleischzellenkultivierung aus dem Labor.

Dementsprechend haben auch die Anfragen an Kruse und sein Team durch die Wirtschaft in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Und letztendlich kam es dann auch so, dass Charli Kruse 2022 seine Tätigkeit für die Fraunhofer-Gesellschaft beendete,  um gemeinsam mit der FML Stiftung und der Rittal GmbH als Industriepartner – das Spin-Off-Unternehmen CellTec Systems zu gründen. Fokus des Unternehmens ist die  Großproduktion von Zellen aus dem Labor. „Wir wollen Bioreaktoren und Verfahren zur massenhaften Vermehrung tierischer Zellen entwickeln – die dann von der Industrie genutzt werden können“, so Kruse. Erste Gespräche mit namhaften und internationalen Lebensmittelherstellern haben bereits stattgefunden. Das Potenzial ist immens: Mit einer  vermehrungsfähigen Stammzelle mit einem Gewicht von nur zwei Nanogramm können durch 50-fache Teilung im Labor zwei Tonnen Fleischzellen hergestellt werden. Schon 2030 so Kruse wird Studien zu Folge ein Drittel des weltweit konsumierten Fleisches aus dem Labor kommen.

 „Das Vermehren von Zellen klingt in der Theorie recht simpel – ist aber ein äußerst komplexer Vorgang“, berichtet Kruse. „Entscheidend ist dabei die Qualität und Vorbereitung der Ausgangszellen sowie die Techniken, die bei der Kultivierung und Vermehrung zur Anwendung kommen“, so Kruse. Die jahrelange Forschung des Wissenschaftlers und seines Teams sowie deren Patente in diesem Bereich bringen dem Unternehmen CellTec natürlich viele Vorteile. So verfügt CellTec Systems über die komplette Wertschöpfungskette: von der eigenen  Zellbank über die patentierten Verfahren bis hin zu Lösungen für die unterschiedlichsten Industrien. Neben der Lebensmittelproduktion sieht das junge Unternehmen potenzielle Zielgruppen auch in Herstellern von Futtermitteln, sowie in der medizinischen, der chemischen und der kosmetischen Industrie. Die Einsatzgebiete, so Kruse, seien vielfältig. Und die Vorteile liegen auf der Hand: Für die Herstellung von Fleischzellen im Labor wird im Gegensatz zur konventionellen Tierzucht keine Fläche und kein Futter benötigt. Zudem sind die Zellen regional dort herstellbar, wo sie verarbeitet werden – Transportkosten und viele schädliche Emissionen entfallen. „Der ethische Aspekt, dass für den Verzehr von Fleisch kein Tier getötet werden muss, ist natürlich auch nicht zu vernachlässigen“, so der Wissenschaftler.

Nach jetzigem Stand soll der Bioreaktor in etwa vier bis fünf Jahren marktreif sein. „Ganz exakt lässt sich das natürlich jetzt noch nicht sagen“, so Kruse. Aber das sei in etwa der Zeithorizont, den man sich vorstelle. Ab dann können, so die Hoffnung, tierische Zellen in einer skalierbaren Menge für die Industrie hergestellt werden. Mit Technologie und Know-How aus Lübeck.

Mehr Infos unter: https://www.celltec-systems.com/de/

11.05.2023