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Studie beleuchtet Herausforderungen für den inhabergeführten stationären Einzelhandel

Viel Luft nach oben: So lässt sich die Situation für den inhabergeführten Lübecker Einzelhandel in Bezug auf die durch die Digitalisierung entstehenden Veränderungen beschreiben. Ein großer Teil der befragten Händler ist online noch immer nicht aktiv und zeigt akuten Nachholbedarf in Sachen Qualifikation. So eines der zentralen Ergebnisse der wissenschaftlichen Arbeit von Charlotte Leuchten. Die FH-Studentin hat in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsförderung Lübeck die Herausforderungen für den stationären Einzelhandel in Lübeck untersucht.

In ihrer Abschlussarbeit bewertet die Studentin die allgemeine Situation des inhabergeführten stationären Handels in Deutschland mit Blick auf die Digitalisierung und analysiert dazu lokale und regionale Marktplatzlösungen. Auf der Lübecker Altstadtinsel wurden zudem Passanten und Händler direkt befragt. Mit der Befragung wurden Bedarfe, Probleme und Wünsche exemplarisch erhoben und abschließend auf Basis aller Ergebnisse in Handlungsempfehlungen für den Standort überführt.

Mangelnde Ressourcen und fehlendes Know-how 
bremst Einzelhändler im Onlinehandel

Mit Blick auf den Standort Lübeck lassen sich folgende Ergebnisse festhalten: Nur ein Drittel der Befragten Händler (33,8 %) verkaufen ihre Waren auch online – fast die Hälfte (47 %) verfügt über keine eigene Website mit Informationen zum Produktsortiment. 36 Prozent nutzen für ihr Geschäft keine sozialen Medien.

Als häufigsten Hinderungsgrund für verstärke online Aktivitäten geben die Lübecker Händler den Aspekt personelle Ressourcen an. 54 Prozent geben an, dass sie in diesem Bereich sehr schlecht oder schlecht aufgestellt sind. Es folgen finanzielle Ressourcen mit 33 Prozent und die eigene Qualifikation mit 29 Prozent. Neben den beschränkenden Ressourcen gaben die Befragten konkret an, dass sie ein fehlendes Warenwirtschaftssystem (56%), Zeitaufwand für Artikelpflege (72%) und der starke Preiswettbewerb beim Onlinehandel (62%) vom Einstieg in den Onlinehandel abgehalten haben.

Auch scheint die Notwendigkeit für Handel über Online-Marktplätze seitens der Offline-Händler nicht gesehen zu werden: 73 Prozent der Befragten sehen den Einstieg in diese Form des Onlinehandels in naher Zukunft als nicht bzw. eher nicht sinnvoll an.

Unterstützung leisten und Potenziale nutzen

„In Lübeck sind die Auswirkungen des Onlinehandels – auch dank der guten Tourismuszahlen – noch nicht so massiv zu spüren wie andernorts“, sagt Dario Arndt, Prokurist bei der Wirtschaftsförderung Lübeck, der die wissenschaftliche Arbeit begleitet hat. Aber auch hier werde sich die Situation in den kommenden Jahren verschärfen. „Um an der Verlagerung Richtung Online-Geschäft teilzuhaben und nicht darunter zu leiden, müssen die Einzelhändler sich jetzt um diese Themen kümmern und ihre Geschäftsmodelle anpassen“, so Arndt weiter. Gemeinsam mit der IHK haben in diesem Zuge bereits Anfang des Jahres Gespräche stattgefunden. Durch gezielte Formate ist geplant, das Bewusstsein der Händler in diesem Bereich zu stärken und sie mit dem nötigen Know-how auszustatten.

Neben der Etablierung eines lokalen Online-Marktplatzes ist zudem die Initiierung eines Pilotprojekts für eine Location-Based-Advertising App ein denkbares Handlungsfeld. Vor allem die zukünftigen Zielgruppen, die Passanten unter 36 Jahren, würden eine App gerne nutzen – immerhin 46%.  „Wichtig ist der Dialog mit den Händlern und den Partnern am Standort Lübeck. Wir können nur gemeinsam erfolgreiche Lösungsansätzen entwickeln“, sagt Arndt. Die Studie gibt dazu wichtige und grundlegende Impulse, die genutzt werden sollten.
 Vor dem Hintergrund der Aufhebung des Geoblocking im Online-Handel durch die EU-Kommission, wird der Druck zudem weiterwachsen. Mit dem neuesten Gesetzentwurf von der Kommission wird allen Verbrauchern überall in der EU Zugang zu Waren und Dienstleistungen zu gleichen Konditionen gewährt. Das bedeutet im Klartext, dass der Online-Handel innerhalb Europas einen weiteren Impuls erhält und sich der Wettbewerb zwischen stationären Handel und online weiter verschärft. Die Verordnung zur Umsetzung soll Ende 2018 in Kraft treten.[1]

Die Wirtschaftsförderung Lübeck hat großes Interesse daran, den Einzelhandelsstandort Lübeck fit für die Zukunft zu machen. Schließlich ist eine lebendige und vielfältige Innenstadt für die Bevölkerung ebenso wichtig, wie sie für Touristen und Investoren attraktiv ist. Ein Trading down Effekt[2], wie bereits in vielen Oberzentren zu beobachten, darf in Lübeck nicht passieren, so Arndt. Erste Tendenzen zeichnen sich bereits in einigen Straßen Lübecks ab.

Über die Studie

Die Studie „Herausforderungen für den inhabergeführten stationären Einzelhandel am Standort Lübeck – Innenstadt in Zeiten der Digitalisierung“ wurde von Charlotte Leuchten zwischen Oktober 2017 und Januar 2018 als Abschlussarbeit zu Erlangung des Bachelors im Studiengang Betriebswirtschaftslehre / International Management and Business an der Fachhochschule Lübeck in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung Lübeck durchgeführt. Neben dem analytischen Teil wurden 141 Kunden und 62 Händler (angefragt: 385) auf der Lübecker Altstadtinsel befragt. Die Arbeit wurde mit der Note 1,1 bewertet.



[1] http://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2018/02/27/geo-blocking-council-adopts-regulation-to-remove-barriers-to-e-commerce/
[2] „Die angefragte Umnutzung (Spielhalle) des Ladenlokals würde die vorhandenen Trading-Down-Tendenzen im Hauptzentrum Alt-Oberhausen verfestigen“ (Quelle: Begründung zum Bebauungsplan Nr. 702 - Paul-Reusch-Straße / Marktstraße / Wörthstraße; Oberhausen 3. Jan. 2017)


26.03.2018